Zeitschrift SUARA

Der Schlammvulkan Lapindo in Sidoardjo

Suara Nr. 1/09, August 2009

von Marianne Klute

Aus der Luft wird das Ausmaß der Katastrophe erst deutlich: Eine Schlammschicht hat sechzehn Dörfer unter sich begraben, Schulen, Reisfelder, sogar die wichtige Autobahn nach Surabaya. 50.000 und mehr Menschen, die vor drei Jahren hier lebten, haben alles verloren. Manche hausen noch in Zelten. Sie fühlen sich als Opfer des größten Umweltskandals Indonesiens.

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Cartoon: Corporate Watch

Ende Mai 2006: Lapindo Brantas, ein Unternehmen der Bakrie Gruppe, stößt bei Probebohrungen auf der Suche nach Erdgas bis auf 2.834 Meter Tiefe vor. Plötzlich dringt am 29. Mai 2006 heißes Wasser unter hohem Druck in das Bohrloch. Aus 2.000-3.000 Meter Tiefe schießen 1 Million Kubikmeter toxischer Schlamm an die Oberfläche. Vier Dörfer werden überflutet, hundert Menschen sterben, etwa 12.000 verlieren ihr Zuhause. Wegen der giftigen Schwefelwasserstoffgase müssen sie medizinisch behandelt werden.

Versuche, den Schlammvulkan zu verstopfen, gelingen nicht. Der Vulkan brodelt immer heftiger, immer mehr Dörfer verschwinden unter den Schlammmassen. Es stinkt nach Gas. Wissenschaftler schätzen, dass der Schlammvulkan noch jahrelang lang aktiv bleibt. Die Geopressure Technology Laboratorien aus England gehen sogar von bis zu 140 Jahren aus.

Ob die Katastrophe natürliche Ursachen hat oder auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist, wird wohl nicht eindeutig zu klären sein. Bakrie beharrt auf natürlichen Ursachen, die meisten Wissenschaftler sehen das allerdings anders. Das für die technische Ausstattung verantwortliche Unternehmen Medco Energy gibt an, dass Lapindo Brantas das Bohrloch nicht fachmännisch gesichert habe.

Bakrie hat sich seiner Verantwortung weitgehend entzogen, indem Lapindo Brantas für einen Dollar verkauft wurde. Die meisten Opfer warten immer noch auf Entschädigungen. Die Auszahlung der vereinbarten Summe von 250 Millionen Euro wird dauernd verzögert. Ein Teil der Summe hat die Opfer erreicht; damit wurden Wohnungen angemietet. Geld für neue Reisfelder und damit die Schaffung einer Lebensgrundlage ist nicht vorgesehen. Bakrie behauptet, die Opfer seien selbst Schuld, denn sie hätten keine Landtitel. Für zerstörte Infrastruktur muss die Bakrie Gruppe nicht zahlen; dafür muss, wie bei Naturkatastrophen üblich, der Staat gerade stehen.

An vielen Stellen tritt Methan aus, und immer wieder kommt es zu Bränden. Die Menschen haben Angst. Die bedrohten Dörfer werden jedoch nicht umgesiedelt, weil laut Bakrie nicht geklärt ist, wer oder was die Katastrophe verursacht hat. Bei einer Naturkatastrophe braucht höchstens Nothilfe geleistet werden. Und Naturkatastrophen hat Indonesien viele: Waldbrände, Erdrutsche, Überschwemmungen, Dürren. Im Jahr des Schlammvulkans zählten Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen 840 Umweltdesaster mit 7.303 Toten, 1.140 Verschwundenen, drei Millionen Flüchtlingen bzw. displaced persons und etwa 750.000 zerstörten Häusern. Angesichts solcher Zahlen ist die laut Time-Magazin weltweit fünftgrößte Naturkatastrophe nur ein Fall.

Doch der Schlammvulkan ist ein besonderer Fall. Er ist seiner Natur nach außergewöhnlich, er ist einmalig, langwährend. Es mehren sich die Stimmen, die den Lapindo-Schlammvulkan als Prüfstein sehen an dem sich staatliche und unternehmerische Verantwortung messen lassen muss. Welchen Wert hat der Mensch in Indonesien, wenn ein Unternehmen die Existenz von Tausenden vernichten kann, dabei Gesetze bricht und Menschenrechte verletzt, fragen sich nicht nur die Geschädigten. Erst im Februar 2009 legte die staatliche Menschenrechtskommission ihren Bericht vor. Darin heißt es, dass das Bakrie-Unternehmen 14 verschiedene Menschenrechte verletzt habe. Nun kommt es darauf an, wie Bakrie sich positioniert. Wenn er sich der Verantwortung weiterhin entzieht, könnte die Stimmung umschlagen.


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1 Kommentar

  1. rani sagt:

    how to lapindo can happen?


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