Suara Nr. 2/2008 (Umwelt)

 

Ineffektiv und ungerecht

Warum die Razzien gegen die Holzmafia in Papua gescheitert sind

 

 

von Marianne Klute und Pietsauw Amafnini 1


Wer nach Papua reist, wird Unmengen von konfiszierten, vor sich hin rottenden Merbaustämmen sehen. Dies ist das Ergebnis von Razzien gegen den illegalen Holzeinschlag. Polizei und Forstbehörden sprachen von einem „großen Erfolg” und behaupteten, es gebe keinen illegalen Holzeinschlag mehr. Die Realität sieht anders aus.
 

Nach zehn Uhr abends dröhnt Motorengeräusch von der fernen Straße. Ungewohnter Lärm im nächtlichen Abepura, der kleinen Universitätsstadt im Nordosten von Papua. „Das sind Trucks, die bringen die Bäume Nachts an die Küste“, klärten mich Bekannte auf, als ich mich bei meinem Besuch im letzten Jahr über die Ruhestörung beklagte. Auch in Merauke im Süden, wo das Tropenholz aus dem Wasur-Nationalpark geholt wird, war es nicht anders. Und nicht in Sarmi, Nabire und in Sorong. Der Augenschein straft die Aussagen mancher Regierungsvertreter Lügen, die im Brustton der Überzeugung behaupteten: „Es gibt seit den Polizeirazzien kein illegales Holz mehr aus Papua!“

The Last Frontier - Illegal Logging in Papua and China’s Massive Timber Theft 2, die 2005 erschienene Studie von Telapak und Environmental Investigation Agency über das 600-Millionen-Dollar-Geschäft mit Merbauholz aus Papua, hat weltweit Aufsehen erregt. Die Warnung der Autoren, wenn Abkommen und Gesetze nicht sofort in konkrete Aktionen umgesetzt und die Mafiabosse hinter Schloss und Riegel gebracht würden, sei es zu spät, hat Wirkung gezeigt. Die indonesischen Behörden waren gezwungen zu handeln.

Innerhalb der letzten drei Jahre (2005-2007) hat die Polizei in groß angelegten Razzien (OHL II, Operasi Hutan Lestari II) Hunderttausende Kubimeter Holz festgesetzt. Aus den Polizeiakten geht hervor, dass davon 39.979 Stämme konfisziert wurden. Deren Gesamtvolumen betrage knapp 200.000 m3. Allein in den drei Distrikten Sorong, Süd-Sorong und Kaimana im Vogelkopfgebiet, einem Hotspot der illegalen Aktivitäten der Holzmafia 3, beschlagnahmten die OHL II-Teams 64.222 Kubikmeter Holz. Sogar Präsident SBY und Forstminister M.S. Kaban haben für die beeindruckenden Ergebnisse der Razzien Lob eingeheimst. War die OHL II wirklich ein Erfolg? Ein Signal, die Regierung schreite endlich ernsthaft gegen die international verstrickte Holzmafia ein?

M.S. Kaban hat eine Liste mit 50 Namen der meistgesuchten Forstverbrecher in der Tasche, von denen einige bevorzugt in Papua agieren. Spitzenplätze nehmen die Mafiabosse ein, die noch immer frei herumlaufen, obwohl die Polizei fundierte Erkenntnisse über sie hat: Ting Ting Hong, ein malaysischer Staatsbürger, der seine Leute auch in Riau den Wald abholzen lässt; ein gewisser Yongkie aus Surabaya, der die Schmuggelrouten aus dem Eff-Eff kennt; Wiliam Hendrik in Sorong, der mit Indern und Chinesen dealt; und Eddy S.aus Jakarta, ein Experte in der Beschaffung gefakter Papiere. Immerhin hat die Polizei während der OHL II einunddreißig Personen verhört, wenn auch fast nur kleine Fische. Sieben der Verdächtigen wurden schließlich hinter Schloss und Riegel gebracht, doch tatkräftig verurteilt wurde nur einer, und auch der ist längst wieder frei.

Aus ihren Zahlen zieht die Polizei den Schluss, dass fast 80% der gesamten in diesem Zeitraum geschlagenen Menge an Merbauholz konfisziert wurde, und dass folglich so gut wie alle Unternehmen illegal arbeiten. Da kann etwas nicht stimmen, meint Max J. Tokede von der Forstfakultät der Universität Manokwari, die Daten der Polizei genausowenig wie ihre Berechnungen, und die Schlussfolgerung, es gebe keinen illegalen Holzeinschlag mehr, stimme erst recht nicht. Zum Beispiel nehme die Polizei der Einfachheit halber an, ein Baumstamm habe ein Volumen von 5 m3, die Forstbehörden dagegen gehen von einem Volumen von 4,26 m3 pro Stamm aus. Das ergibt immerhin eine Differenz von beachtlichen 30.000 m3, was wiederum sechstausend Baumstämmen entspräche.

Noch verwunderlicher ist, so Gothlief Kawer von CIFOR Papua, dass die Polizei 50.207 Baumstämme mit einem Volumen von 213.916 m3 zwar festgesetzt, aber nicht mit einem Polizeisiegel versehen, d.h. gar nicht beschlagnahmt hat. Wie kann sie dann behaupten, sie hätte 80% der Einschlagsmenge konfisziert? Es sei doch viel mehr illegales Holz gefunden worden! Ist dies ein Zeichen dafür, dass die Behörden manches Unternehmen als illegal einstufen und trotzdem weiterarbeiten lassen?

Das beschlagnahmte Holz rottet derweil vor sich hin, weil niemand weiß, ob man es benutzen darf.

„Das Ergebnis der OHL II ist nur, dass Unmengen wertvollen Merbau-Holzes verfaulen“, sagt Pietsauw Amafnini, Koordinator der NGO Jasoil. „Mindestens ebenso viel konfisziertes Holz ist wie vom Erdboden verschwunden oder als legales Holz auf den internationalen Markt gelangt.“

Ist das verfaulende Holz nur ein trauriger Nebeneffekt einer ansonsten erfolgreichen Aktion? Max J. Tokede meint: „Nein! Unsere Fakultät für Forstwesen der Universität Manokwari (UNIPA) hat in Kooperation mit der NGO Yalhimo und dem Center For International Forestry Research (CIFOR) herausgefunden, dass dies keineswegs der Fall ist. Der illegale Holzeinschlag wurde nicht eingedämmt; im Gegenteil ist in dieser Gegend ein neuer Modus Operandi ungesetzlichen Abholzens aufgetaucht.“

Wie kommt die Polizei überhaupt darauf, dass so gut wie alle Unternehmen illegal sind?, fragt sich Max J. Tokede. Denn haben nicht gerade in den letzten Jahren nach der Gewährung der Sonderautonomie sehr viele Unternehmen und dörfliche Kooperativen (Kopermas) eine Genehmigung erhalten? Die Polizeimethoden gegen den illegalen Holzeinschlag sind seiner Meinung deswegen nicht nur ineffektiv, sondern auch ungerecht gegenüber den Kopermas und denjenigen Unternehmen, die sich wirklich um nachhaltige Forstwirtschaft bemühen. (Zur Zusammenarbeit der Holzmafia mit den Kopermas siehe den Beitrag „Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Wald in Papua“)

Dieser Überzeugung ist auch Pietsauw: Bei der strafrechtlichen Verfolgung von illegalem Holzeinschlag, in den die Kopermas verwickelt waren, werden nur die Dorfleute als die Lizenzinhaber auf dem Papier festgenommen. Nur kleine Fische also, während die tatsächlichen zivilen und militärischen Akteure und die beteiligten Unternehmen aber unbehelligt bleiben. Kein einziger Fall von Geldwäsche und Korruption ist jemals vor Gericht gebracht worden. Grund ist seiner Meinung nach auch, dass die Forstbehörden gar nicht mit der Polizei kooperierten. Polizei und Justiz müssten im Alleingang recherchieren, ohne die Unterstützung des Forstministers. Laut Präsidentenerlass Inpres 4/2005 zur Bekämfung des illegalen Holzeinschlags aber hat der Forstminister die Gerichtshoheit in Fällen von illegalem Holzeinschlag. Darüberhinaus sind die Vorschriften zur Strafverfolgung nicht eindeutig; die Entscheidungen liegen im Ermessensspielraum der Behörden, und Widersprüchlichkeiten mit anderen Gesetzen sind die Norm. Die Folge: nur ein kleiner Teil der von der Polizei aufgedeckten Fälle kam überhaupt vor Gericht. Und wenn es dann endlich zum Prozess kommt, fehlen die Beweise.

Pietsauw kritisiert die Polizeiaktionen per se, denn wenn auch in Papua der Grundsatz des „Lex Specialis Derogate Lex Generalis” gelte, müsste die Autorität über den Wald im Bereich der Forstbehörde liegen und nicht in Händen der Polizei. In seiner internen Studie „Zwischen Problem und Lösung – Forstpolitik in Papua“ identifiziert er die rechtlichen und institutionellen Mängel als wesentliche Ursachen dafür, dass sämtliche Maßnahmen bisher nicht nur erfolglos waren, sondern quasi ins Gegenteil umschlugen. Die beiden Instanzen Forst und Polizei hätten die Operationen gegen die illegalen Holzfäller nicht koordiniert. Die fehlende Übereinstimmung und Konsistenz seien Merkmale, die sich nicht allein auf diese Polizeioperationen beziehen, sondern allen Instanzen eigen seien. Ergebnis ist, dass für Unternehmen, gerade auch für solche, die sich bemühen, alle Vorschriften einzuhalten, sich die Rechtsuntersicherheit manifestiert, und dass die Bevölkerung immer weniger an Gerechtigkeit glauben kann.

Auf einen Nenner gebracht identifizieren NGOs in Papua die Schwäche des Rechtssystems, mangelhafte Kontrollmechanismen, unklare Möglichkeiten der Verfolgung von Straftaten und die fehlende Koordination zwischen den Instanzen als Ursachen des Scheiterns der Polizeiaktionen. Mehr noch, sie werfen den beteiligten Instanzen vor, ihre Eigeninteressen zu verfolgen, mit dem Resultat, dass sämtliche Aktionen zu einer weiteren Schwächung der Rechtssicherheit und steigendem Misstrauen der Bevölkerung gegenüber dem Justizwesen führten. Aus diesen Gründen wird auch das am 19. Dezember 2007 erlassene Exportverbot für Holz aus Papua ebenso ineffektiv und ungerecht sein, wenn nicht sogar zu neuen Ungerechtigkeiten führen, abgesehen davon, dass mächtige Gegenspieler in Jakarta nicht damit einverstanden sind.

Gesetzliche Grundlagen für Maßnahmen gegen illegalen Holzeinschlag sind bisher, neben dem Forstgesetz 41/1999, verschiedene Forst- und Naturschutzregelungen, die festlegen, wie Wald im Interesse des Staates und der Industrie genutzt werden kann, sowie eine Reihe straf- und zivilrechtlicher Erlasse. Eindeutige Aussagen, wie mit den Übertretern dieser Gesetze umgegangen werden soll, fehlen in allen Gesetzen und Verordnungen zu Wald und Natur.
 
 

Wichtige Erlasse zur Bekämpfung des illegalen Holzeinschlags

 
Inpres No. 4/2005Präsidentenerlass Inpres 4/2005 zur Bekämfung des illegalen Holzeinschlags im gesamten Gebiet der Republik Indonesien  Instruktion an 12 Ministerien, dem Generalstaatsanwalt, Polizeichefs, den Oberkommandierenden des Militärs, den Chef des Geheimdienstes und die Gouverneure, den illegalen Holzeinschlag zu bekämpfen.
Änderungserlass des Forstministers No.393/Kpts-II/1994 zu Sanktionen bei Übertretung der Konzession Entzug der HPH Konzession bei Übertretung der Konzession
Erlass des Forstministers No.168/Kpts-IV/2001 zu Raminholz Verbietet Einschlag, Weiterverarbeitung und Lagerung von Raminholz nach dem 11.4.2001

In keiner der relevanten Rechtsgrundlagen aber, und das ist die Ursache für die mit den Razzien verbundenen Ungerechtigkeiten, sind die Rechte der indigenen Bevölkerung zur Nutzung der Naturressourcen auch nur andeutungsweise erwähnt. „Sogar im Menschenrechtsgesetz 39/1999 (welches bei jeder Polizeiaktion am Herzen zu tragen wäre) fehlt dieser Aspekt zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten (WKS-Rechte)“, sagt Pietsauw.

Dabei ist es gerade der illegale Holzeinschlag, der die Möglichkeiten der Inanspruchnahme der WSK-Rechte erst recht zerstört. Mit dem Verlust des Waldes für den Export wird der Bevölkerung die ökonomische Grundlage genommen, im Sinne von: Der Wald ist weg, und das Dorf wird arm. Das traditionelle Adat-System funktioniert schon lange nicht mehr, und den Kopermas fehlen Geld und Werkzeuge, Wissen und Zugang zu Information über Marktchancen. Daher ist die Nutzung der Naturressourcen durch die Kopermas stark eingeschränkt, weshalb sie so leicht in die Fänge der Holzmafia geraten. „Der Zustand ist Besorgnis erregend!“, sagt Pietsauw.

Daher setzen einige NGOs auf Alternativen für die ländliche Bevölkerung. Mit diesen soll die wirtschaftliche Kraft der indigenen Papua gestärkt werden, unter Erhalt ihrer Lebensgrundlagen. Die Hoffnung ist, dass die Leute Geld verdienen können, ohne ihren Wald an Holzeinschlagsunternehmen zu verscherbeln. Eines der Modelle ist das so genannte community logging. Es gibt mehrere Modellprojekte, drei davon von Greenpeace, aber den Menschen ist oft nicht klar, was der Unterschied zu den Kopermas ist. Die zweite Alternative heißt KUBE, Koperasi usaha bersama,das sind Dorfgemeinschaftsprojekte für ländliche Entwicklung. Die Erfahrungen mit KUBE in acht Dörfern sind zwar vielversprechend, da sie zur Dorfentwicklung beitragen und besonders die Frauen beteiligt sind. Fragt man die Leute aber, was sie von den Alternativen halten: „Bisa juga tidak; tidak juga bisa“ – es klappt nicht wirklich, und ohne gehts auch.

Empfehlungen von Jasoil

1 Pietsauw Amafnini ist Koordinator von Jaringan Advokasi Sosial dan Lingkungan und wohnt unterm Tafelberg in Manokwari.
2 http://www.eia-international.org/files/reports93-1.pdf
3 von folgenden Unternehmen: Im Kabupaten Sorong : CV. Tambrauw, CV. Prima Materi, Kopermas Mberur Masau; Im Kabupaten Sorong Selatan : PT. Tambrauw, PT. Anugerah Berkat Lestari, PT. Uniraya Timber, PT. Raja Ampat Perkasa und PT. Hasil Alam Utama Lestari. Im Kabupaten Kaimana : PT. Avona Mina Lestari
 
 

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