„Wer ungezogen ist,
muß erschossen werden“
ABRI-Chef Try Sutrisno am
14.11.1991
“Die Gemeinschaft und
ihre Mitgliedsstaaten werden ausdrücklich die Berücksichtigung
der Menschenrechte als einen Bestandteil ihrer Beziehungen zu Entwicklungsländern
einführen.”
EG-Ministerrat am 28.11.1991
Es wird noch gebastelt an der neuen Weltordnung und viele mehr oder weniger charismatische Führer von Völkern und Volksgruppen des Ostens versuchen mit nationalen und nationalistischen Parolen ihre Leute um sich zu scharen, um ihre eigenständige Rolle innerhalb dieser neuen Weltordnung sichern zu können, bevor es zu spät ist. Regionale Konflikte flammen an vielen Stellen des ehemalig „sozialistischen“ Ostens auf, bis hin zu handfesten Bürgerkriegen wie in Jugoslawien. Gestorben wird mehr denn je; in 40 Jahren Sozialismus konnten die Menschen in Jugoslawien wohl kaum soviel Leid erfahren wie in den letzten Monaten.
Dennoch ist die Perspektive für die Rüstungsindustrie eher düster: Direkte Exporte in (Bürger-)Kriegsgebiete sind zumindest schwierig, weil eigentlich verboten. Die ehemals waffenstarrenden Mächte in Ost und West fahren ihre Rüstungsausgaben zurück; sie haben angesichts wirtschaftlicher Probleme und einem fehlenden Feindbild größte Schwierigkeiten damit, neue Rüstungsprojekte durchzusetzen. Prominentes Beispiel aus den letzten Monaten ist der geplante deutsche Ausstieg aus dem europäischen Gemeinschaftsprojekt Jäger 90. Nun zittern die Beschäftigten in den Rüstungsbetrieben um ihren Arbeitsplatz; zu Recht, denn ihre Firmenleitungen haben es jahrelang verschlafen, ihre Produktpalette zu diversifizieren und sich einen Absatzmarkt für zivile Güter aufzubauen. Zu hoch war einfach der Profit aus dem Rüstungsgeschäft, als daß man sich ernsthaft mit ziviler Produktion hätte befassen mögen. Zu behaglich war es im kleinen Kreis der Anbieter, die innerhalb ihres Landes fast alle ein Quasi-Monopol innehatten und nur die zahlungskräftigen und garantiert zuverlässigen Regierungen als ihre Kunden kannten.
Doch nun ist plötzlich alles ganz anders. Die Branche sieht sich vor den größten Problemen seit Jahrzehnten. Da kommt der Wunsch nach Aufrüstung seitens eines großen, wirtschaftlich aufstrebenden Landes wie Indonesien gerade richtig. Trotz hoher Verschuldung in Höhe von derzeit 78 Mrd. US-$ gilt die Zahlungsmoral Indonesiens als gut. Zusätzlich erhofft man sich, über Indonesien weitere Rüstungsmärkte Asiens erschließen zu können.
Seit Juni dieses Jahres kamen in Großbritannien und Deutschland millionenschwere Waffengeschäfte mit Indonesien ans Licht. Die Verhandlungen laufen bereits seit Monaten und wurden auch durch das Massaker von Dili nicht gestört. Gegenüber der Öffentlichkeit hüllte man die Pläne allerdings in einen Mantel des Schweigens. Seit Juni scheint die Schamfrist nun vorbei zu sein; ein gutes halbes Jahr zaghaft geäußerter Betroffenheit über die Opfer von Dili seitens der Regierungen muß genug sein. Man besinnt sich der Prinzipien der „Realpolitik“, wie der Direktor der Südostasien-Abteilung im britischen Außenministerium, Gavin Hewitt, unter Verwendung des deutschen Fremdwortes es nannte.
Großbritanniens Rüstungskonzern
British Aerospace (BAe) plant zusammen mit dem staatlichen indonesischen
Flugzeughersteller IPTN (Industri Pesawat Terbang Nusantara, Bandung) die
gemeinschaftliche Herstellung von 40 Trainingsflugzeugen des Typs Hawk-Fighter.
Der geplante Waffenhandel beläuft sich auf einen Gegenwert von 600
Mio £. Diese Summe entspricht einem Anteil von ca. 20 % der „Entwicklungshilfe“,
die Indonesien dieses Jahr insgesamt zugesagt wurden (s. More
financial backing for Suharto).
Wichtiges Geschäft für British Aerospace und Rolls Royce
Bei British Aerospace sind derzeit ca. 40.000 Arbeitsplätze gefährdet, wenn der Jäger 90 tatsächlich nicht gebaut werden sollte. Auch Rolls Royce, der Hersteller der Triebwerke des Hawk-Fighters, betont die Wichtigkeit des Waffendeals mit Indonesien. Die Firma plant, den Indonesiern die Einrichtung einer Wartungs-Station für Flugzeugmotoren anzubieten.
Verantwortliche Politiker
versuchen mit dem Hinweis, daß es sich „nur“ um Trainingsflugzeuge
handele, der Kritik an dem Handel auszuweichen. Trainingsflugzeuge seien
nicht tauglich zum Einsatz gegen die aufbegehrenden Völker an den
Unruheherden Ost-Timor, West-Papua oder Aceh. Die Unglaubwürdigkeit
dieser Argumentation liegt auf der Hand: Der gleichzeitig geleistete Technologietransfer,
den Indonesien ausdrücklich zur Bedingung des Geschäfts machte,
beinhaltet die Endmontage der Flugzeuge in Bandung. Das heißt, daß
die Flugzeuge dort jederzeit zum Einsatz mit scharfer Bewaffnung umrüstbar
sind. Es ergäbe außerdem keinen Sinn, 40 zusätzliche Trainingsflugzeuge
- 20 wurden bereits in früheren Jahren geliefert - anzuschaffen, wenn
nicht auch der Einsatz „scharfer“ Maschinen vorgesehen wäre. Darüberhinaus
ist grundsätzlich jede Hilfeleistung für das indonesische Militär
und das durch seine Macht gestützte Unrechtsregime zu unterbinden.
Vergessen sind die Appelle des britischen Außenministers Douglas
Hurd vom August letzten Jahres an die EG-Kommission, die Hilfe für
Länder zu kürzen, in denen die Menschenrechte nicht geachtet
werden. Ungeachtet bleibt auch der kürzlich gefaßte Beschluß
des EG-Ministerrates, Waffenexporte von acht Kriterien, darunter die Achtung
der Menschenrechte und des internationalen Rechts im Empfängerland,
abhängig zu machen.
Noch mehr Waffenlieferungen geplant
Nach und nach kamen weitere
Geschäfte Großbritanniens mit dem indonesischen Militär
ans Licht. Bereits drei Monate nach dem Massaker von Dili wurde der Verkauf
des einstigen Royal Navy Support Ships „Green Rover“ im Wert von 11 mio
£ an Indonesien beschlossen. Es wurde bekannt, daß zur Zeit
drei indonesische Offiziere die Gelegenheit haben, im Rahmen der Förderung
von militärischer Ausbildung und Training in Großbritannien
zu studieren. Lucas Industries und ein deutscher Computerhersteller wollen
Flugkontrollsysteme im Wert von 350 mio £ an IPTN liefern. Darüberhinaus
sind britische Experten zur Zeit als Berater für die indonesische
Polizei tätig. Ihre Aufgabe ist es, Verbesserungen in den Bereichen
Personalführung und Ausrüstung zu empfehlen. Ein Gegenbesuch
von 12 indonesischen Polizeioffizieren nach Großbritannien soll noch
in diesem Jahr erfolgen. Die Polizei ist eine der vier Teilstreitkräfte
des indonesischen Militärs.
Deutschland zieht nach
Was Großbritannien
kann, kann Deutschland schon lange. Lippenbekenntnisse für die Achtung
der Menschenrechte im allgemeinen und in Ost-Timor im besonderen sind vergessen,
wenn es ums Geldverdienen geht. Am 23. Juli wurde der Verkauf von 39 Kriegsschiffen
aus den Beständen der NVA an Indonesien bekannt. Es handelt sich dabei
um 16 Korvetten (Patrouillen-Schnellboote), 12 Landungsboote, zwei Hochsee-
und Gefechtsversorger und 9 Minensucher. Damit ist der größte
Teil der in Peenemünde vor Anker liegenden NVA-Kriegsschiffe verkauft.
Über den Preis wird noch verhandelt.
Deutsche Entwicklungshilfe für Indonesien fast verdoppelt
Wie hoch der Preis auch ausfällt, Deutschland hat schon Sorge getragen, daß Indonesien über genügend Geld verfügt. Ungeachtet der Beschlüsse der EG bezüglich Menschenrechten und Entwicklungsländern fällt die Bundesrepublik der Politik der Niederlande, Kanadas und Dänemarks in den Rücken, die ihre Zahlungen an Indonesien wegen des Massakers von Dili einstellten. Beim Treffen der CGI (Consultative Group on Indonesia) im Juli in Paris sagte Deutschland fast die doppelte Summe an Entwicklungshilfe zu wie im Vorjahr (135,5 mio US-$ 1992; 76,2 mio US-$ 1991). Von keinem anderen Geldgeber konnte Indonesien dieses Jahr einen höheren Zuwachs gegenüber dem Vorjahr verzeichnen als von Deutschland.
Friedrich Vogel, Vorsitzender
des Auswärtigen Ausschusses und des Unterausschusses für Menschenrechte
und Humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag, erklärte gegenüber
Watch Indonesia! am 10. August: „Zu Ihrer Forderung nach Einstellung von
Militärhilfe an Indonesien hat die Bundesregierung mitgeteilt, daß
eine solche von der Bundesrepublik Deutschland nicht geleistet werde. Hinsichtlich
der wirtschaftlichen Zusammenarbeit habe sich die Bundesregierung jedoch
für eine Fortsetzung entschieden, um die fortschrittlichen Kräfte
innerhalb der indo nesischen Regierung zu stützen.“ Wir empfinden
diese Äußerung angesichts des wenige Tage zuvor publik gewordenen
Verkaufs von Kriegsschiffen als Verhöhnung.
Indonesien kein Krisengebiet
Der eigentliche Skandal ist allerdings, daß die Bundesregierung den Waffendeal mit der Begründung, Indonesien sei kein Krisen- oder Kriegsgebiet, genehmigte. Watch Indonesia! verurteilte diese zynische Mißachtung der Opfer von Ost-Timor, West-Papua und Aceh mit dem Hinweis auf die anhaltenden Kämpfe in diesen Gebieten in Protestbriefen an die Bundesregierung und die Fraktionen im Bundestag mit aller Schärfe. Watch Indonesia! äußerte auch die Besorgnis über einen möglichen Einsatz der Patrouillenboote in der Straße von Malakka, wo sie benutzt werden könnten, um gegen Flüchtlinge aus Aceh vorzugehen, die versuchen mit Booten ins benachbarte Malaysia zu fliehen (s. auch Flüchtlinge aus Aceh besetzen Büro der UNHCR).
Die Fraktion der CDU antwortete
auf die Protestnote von Watch Indonesia! mit dem nüchternen Hinweis,
die entsprechenden Beschlüsse des Verteidigungsausschusses seien geheim.
Darauf folgten ca. 80 Seiten Papier mit Erklärungen zur Rechtslage
und zur allgemeinen Problematik von Rüstungsexporten. Die Opposition
äußerte sich verhalten bzw. gar nicht, lediglich die Fraktion
der PDS sandte uns die Kopie einer eigenen Protestnote. Es zeigt sich ein
weiteres Mal, daß Indonesien fernab der öffentlichen Aufmerksamkeit
liegt. Die Parallelen der Annektion Ost-Timors mit der Besetzung Kuwaits
sind ebenso offensichtlich wie die Parallele der jetzt geplanten deutschen
Waffenlieferungen mit der Lieferung von NVA-Panzern an die Türkei.
Wegen letzterer mußte vor wenigen Wochen Verteidigungsminister Gerhard
Stoltenberg seinen Hut nehmen; den Handel mit Indonesien scheinen viele
dagegen noch nicht einmal zur Kenntnis genommen zu haben.<>
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